Welches Bild von Kanada habt ihr im Kopf? Grüne Wälder, blitzblaues Wasser von einem See, jemand der im Kanu vorbeipaddelt und ein paar Raubvögel, die über euren Köpfen kreisen? Wenn ja, dieses Klischee können wir derzeit jederzeit bedienen. Zusätzlich gibt es noch kristallklares Wasser und weiße Sandstrände bis zum Abwinken.

Am 15. August haben wir uns endlich aus Port Sanilac verabschiedet, nicht jedoch bevor Magellan ihren Durst gestillt hat. 190 Liter Diesel um wohlfeile 114 € konnten wir uns nicht entgehen lassen, danach war leider der Bauch von Magellan wieder voll. Bei dem Preis würde man am liebsten auch noch die Wassertanks mit Diesel vollmachen. Eine sehr lange und zähe Überfahrt hat uns dann nach Goderich, eine Kleinstadt auf der kanadischen Seite gebracht.

Klein aber fein, Wohnwagen aus den 60ern, der dahinter ist ein richtiges Schmuckstück
Während der Überfahrt haben Fritz und ich lange diskutiert, warum wir beide froh sind, die amerikanische Seite hinter uns zu lassen. Jeder Kontakt mit Polizei, Zoll oder ähnlichem war immer sehr korrekt, freundlich und hilfsbereit. Die Menschen sind herzliche, hilfsbereite und aufgeschlossene Seelen, die sich über ein Gespräch immer freuen. Und doch – wir fühlen uns irgendwo im Hinterkopf immer ein bisschen unwohl. Einerseits gehe ich nicht mehr so unbefangen in die Shopping Mall – und das muss man ja schon, um Lebensmittel zu kaufen, da alleine in den letzten 14 Tagen 3 Attentate an solchen Orten in den USA passiert sind, auch in kleineren Orten.
Aber auch haben wir beide das Gefühl, dass wenn einmal etwas nicht so klappt mit einem Behördenkontakt, wir unabsichtlich etwas falsch machen, die Stimmung eventuell leicht kippen kann. Beide zweifeln wir ein bisschen, ob es nicht doch Behördenwillkür gibt und fragen uns, ob wir hier wie in Kanada auch auf aufgeschlossene Beamte stoßen würden. Immerhin sind wir einmal Monate in Kanada ohne CANPASS Nummer durchs Land gereist und wie ich mit Entsetzen diesen Fehler bemerkt habe (beim Einklarieren in Labrador hat man uns versichert, dass bereits alles erledigt ist und die CANPASS Routine wurde gerade neu eingeführt) wurde ich vom Zoll bei meinem hektischen Anruf sogar getröstet und es hatte kein Nachspiel für uns. Wir können unsere innere Abneigung gegen die USA nicht richtig festmachen, aber es gibt eindeutig Länder, in denen wir uns lieber aufhalten.
Und so freuen wir uns auch als wir am frühen Abend in Goderich ankommen, dem Zoll schnell unsere Daten durchgeben und danach die angeblich hübscheste Stadt von Kanada besichtigten. Fritz fragt mich immer wieder, wo ich dies gelesen habe (drei verschiedene Führer) und schläft bei einem Livekonzert am Hauptplatz fast ein.
Am nächsten Tag geht es weiter nach Kincardine, dort genieße ich den langen Sandstrand und schaffe es immerhin bis zum Bauch ins Wasser – kalt, kalt, kalt, kann ich euch nur sagen und bei unserer kleinen Stadtbesichtigung laufen auf einmal drei ehrwürdige Tallships in den Hafen ein. Das Hafenmanöver des ersten Schiffes ist „interessant“, der Skipper brüllt und schreit, die junge Mannschaft springt ca. einen Meter um von Bord aufs Festland zu kommen um die Leinen zu befestigen. Kurz darauf wird der erste junge Mann ein Pflaster benötigen um seine Wunden zu versorgen. Dagegen ist das Hafenmanöver des zweiten Schiffes schon weniger spannend. Der Skipper steht am Kajütdach, den Kaffee in der Hand und dirigiert mit unaufgeregter Stimme seine Leute. Hier geht es ohne Unfälle ab, die Sprünge wurden aber auch hier vollzogen.

Wir marschieren weiter zur Hautstraße, vorbei an ein paar alten Gebäuden mit viel Blumenschmuck und entdecken eine kleine Pizzeria mit Holzofenpizza. Lecker! Auf dem Weg retour entdecken wir beim alten Leuchtturm einen Herrn in Kilt und Dudelsack. Zu Sonnenuntergang werden oben am Leuchtturm immer ein paar Melodien zum Besten gegeben. Am Samstag zieht sogar eine ganze Schar an Dudelsackpfeiffern durch den kleinen Ort, um eines Herrn zu gedenken, der mit seinem Dudelsackgepfeife vor vielen, vielen Jahren ein Schiff in den sicheren Hafen leitete.
Leider ist unser Musikant noch nicht sehr geübt und es tut fast körperlich weh, dem Vortrag zu lauschen. Fritz meint, dass der Arme sicher in der Nacht nicht gut schlafen konnte vor lauter Aufregung, aber im Hafen wird viel applaudiert und auch die Touristen auf der Brücke johlen vor Begeisterung.
Wir schlafen am Samstag ein bisschen länger, frühstücken sehr gemütlich an Bord und dann geht es weiter nach Port Elgin, wo unser Liegeplatz schon reserviert ist. Auch hier gibt es einen Sandstrand mit vielen Badenden, Beachvolleyballspielenden und Sandburgenbaumeistern, direkt neben unserem Hafen.
Eisgeschäfte versüßen uns den Abend und ein traumhafter Sonnenuntergang rundet den Tag ab.

Am Sonntag, den 18.August studieren wir bereits um 5:30 Uhr den Wetterbericht. Wir werden heute gutes Reisewetter haben, aber in der Nacht wird es deutlich mehr Wind und Gewitter geben. Wir haben nun die Wahl zwischen einem langen Reisetag oder einem Ankerplatz, wo wir wahrscheinlich zwei Tage eingeweht sein werden.
Wir fahren bei Sonnenaufgang los und obwohl wir angeblich 15 kn Wind von hinten haben sollten, muss Konrad, der Diesel, die ersten Stunden die Magellan durchs Wasser schieben. Aber irgendwann kommt der angekündigte Wind und wir lassen den überlegten Ankerplatz achteraus und um 16:00 Uhr fällt der Anker in einer kleinen, sehr geschützten Ankerbucht direkt in einem Nationalpark in der Georgian Bay ,– unser Ziel für dieses Jahr. Leider sind wir nicht die einzigen, ein kleines Segelboot liegt genau in der Mitte und damit müssen wir uns an den Rand drücken. Der Winddreher in der Nacht gefällt uns nicht, durch das Hochwasser ist nicht ganz klar, ob wir genug Wasser auf der Seite haben und kurz vor Sonnenuntergang (und der Feststellung, dass der Wind sich gerade beginnt in die falsche Seite zu drehen) erhört Fritz mein Flehen und wir gehen Anker auf. In 23 Semmeilen gibt es eine große Ankerbucht, die ebenfalls sehr hübsch aussieht.
Bei 23 kn Wind von der Seite, also Halbwind sind wir flott und um Mitternacht tasten wir uns vorsichtig einen 40 ft breiten Kanal in die Bucht. Magellan ist 13 ft breit, daher sollte Fritz schon in der Mitte bleiben. Mit dem Suchscheinwerfer leuchte ich die Seezeichen an und kaum sind wir in der Bucht se
hen wir auch die anderen vier Ankerlieger. Drei mit Ankerlicht, einer ohne …
Unser Anker beißt ord
entlich in den Grund und wir gehen beide recht rasch schlafen. Immerhin wachen zwei Ankeralarme für uns, aber diese Nacht wird alles ruhig bleiben. Am nächsten Tag bewundern wir unser kleines Plätzchen. Bald ist auch unser Beiboot im Wasser, das erste Mal in diesem Sommer und der Außenborder spinnt zwar beim Standgas, bringt uns aber trotzdem ans Ufer um einen kleinen Spaziergang zu unternehmen. Leider ist der Strand unter Wasser, trotzdem gefällt uns unser Ausflug zum historischen Leuchtturm (wieder einmal) und einem kleinen Picknickplatz. Das versprochene Geschäft wo es kleine Snacks geben soll (EIS!!!) hat leider zu und so finden wir uns rasch wieder auf unserer Magellan. Trotz der Kürze haben wir unsere Wanderschuhe an, sind wir doch ab nun in Klapperschlangenterritorium und da sind gemütliche Croqs nicht geeignet für einen kurzen Landgang.

Angeblich gibt es hier auch Kojoten, Luchse und Schwarzbären, wir glauben aber nicht an unser Glück für Sichtungen hier, sondern wir hoffen auf nächstes Jahr im North Channel, wo die Bären angeblich sogar auf die Boote klettern um Leckerlis zu finden. (Nicht dass wir dies erleben möchten …)
Ab nun haben wir Luxusprobleme – welchen der vielen Ankerplätze sollen wir nehmen? Aber ich denke auch dieses Problem werden wir lösen, ein Fixpunkt ist in den nächsten Tagen ein Besuch in einem Indianerreservat, wo es ein paar ausgezeichnete Ankerplätze gibt. Fritz selber ist im Astroparadies angekommen. Georgian Bay gehört zu den Plätzen auf der Erde, wo es noch Dark Sky, also nicht künstlich erleuchteten und damit verschmutzen Himmel gibt. In fast jeden Hafen gibt es am Abend Ausfahrten mit einem Ausflugsboot um den Sternenhimmel erklärt zu bekommen oder an Land einen Hobbyastrophotographen der Infos anbietet. Dies wird Fritz zwar nicht benötigen, aber die Ausrüstung ist ja teilweise fix an Bord und ab nun wir Fritz wohl öfters mit dem Beiboot am Abend noch rasch seine Kamera an Land bringen um ein paar Aufnahmen zu machen …
Am Dienstag den 20. August, unseren 32. Reisetag laufen wir in dem Hafen von Lions Head ein. Zwar ist der Liegeplatz nicht gerade preiswert, allerdings gibt es hier einen sehr leichten Zugang zu dem Bruce Trail, welcher von den Niagarafällen entlang bis hierher und noch ein bisschen weiter führt, also ca 900 km lang ist. Wir schlüpfen wieder in unsere Wanderschuhe, uns befinden uns bereits einige Minuten später am Trail. Leider nicht alleine, ein paar ernsthafte Wanderer mit Bärenglöcken begegnen uns genauso wie die Flip-Flop Gelegenheitswanderer, die uns sogar nach den Weg fragen, da sie ohne Karte einfach los marschiert sind. Zwischendurch sehen wir noch eine Sanitäterin auf dem Weg erste Hilfe zu leisten. Wundern tuen wir uns nicht. Bei den “Look-outs“, den Aussichtspunkten, weigere ich mich an die Kante zu gehen, keine Abgrenzung, und ich habe die Klippen von Bord aus gesehen, Überhänge wohin man schaut, nein dankeschön, nicht mit mir. Fritz amüsiert sich, ob meiner Sorgen und bald treten wir wieder den Rückweg an. 3,5 Stunden später sind wir wieder an Bord, etwas nass, da uns der Regen noch die letzten paar Meter erwischt hat.


Am Mittwoch geht es spät hinaus unter Segel und wir sind gerade auf dem Weg unseren Ankerplatz im MacGregor Harbour bei dem Indianerreservat anzusteuern. In der Nacht wird es wieder Starkwind und Gewitter geben, allerdings sind wir von allen Seiten gut geschützt und werden dort sicher eine ruhige Nacht verbringen und morgen vielleicht sogar einen Ausflug in das Dorf unternehmen.